Ausufernde Franchises gibt es wie Sägeblätter in einer gut sortierten Werkstatt, Filmreihen im zweistelligen Bereich muss man dann aber schon gezielt suchen. Das Horrorgenre erweist sich als potente Fundstelle, und mit „Saw X“ betritt nun ein weiterer Vertreter den elitären Kreis. Dass sich die späteren Teile nicht zwingend in der Qualität übertreffen, ist ein offenes Geheimnis. Und besonders nach dem eher enttäuschenden neunten Teil ist Skepsis durchaus berechtigt.

von Cliff Lina

Mit Kevin Greutert konnte immerhin ein Mann für die Regie gewonnen werden, der mit der Reihe vertraut ist – auch wenn das bei „Saw: Spiral“ kein alleiniger Schlüssel zum Erfolg war. Vielleicht verfolgt der zehnte Teil nun genau deshalb einen anderen Ansatz: Statt Fortsetzung oder Soft-Reboot erwartet die Zuschauerschaft eine eingeschobene Randgeschichte, die sich irgendwo zwischen den ersten Filmen ansiedelt. John Kramer, schwer gezeichnet von seiner Krebserkrankung, sucht händeringend nach einer Behandlungsmethode und stößt dabei auf ein vielversprechendes Angebot, das ihn nach Mexiko führt. Doch auch wenn die prognostizierten Erfolge der Operation für sich sprechen, scheint Jigsaw Betrügern in die Arme gelaufen zu sein. Ein Vergehen, das nicht ungesühnt bleiben soll.

Beinahe die komplette erste Hälfte der Handlung begleitet Kramer also dabei den lebensnotwendigen Eingriff vorzubereiten, wobei wir ihn als gebrochenen Mann kennenlernen, der im ersten Augenblick so gar nichts mit dem versierten Tüftler zu tun hat, der uns bis dato bekannt war. Ein interessanter Grauton, da die eigene Empfindung im krassen Gegensatz zu dem steht, was Kramer in der bisherigen Reihe verkörperte. Und auch die Details der Geschichte werfen interessante Denkanstöße auf, beispielsweise wenn die Verhaltensweisen der Pharmaindustrie hinterfragt werden, die die offenbar zielführende Behandlung unterbinden und stattdessen an der fortgeführten Medikation festhalten will. Nuancen, mit denen sich „Saw X“ nicht zwingend zu einem tiefschürfenden Drama aufschwingen kann, die aber wieder mehr an die Anfänge erinnern, bei dem weniger die Brutalität als viel mehr die Beweggründe des Puzzlemörders in Vordergrund standen.

Allerdings leider auch Nuancen, die dann in der zweiten Hälfte im Blut ertränkt werden. Diese bietet wohl am ehesten das, was vom Franchise erwartet wird. Fiese Fallen, bei denen die Folter fokussiert wird und die Kamera gerne voll draufhält. Kenner wird das kaum schocken, mit empfindlichem Magen sollte das rote Treiben aber vielleicht gemieden werden. Auch inszenatorisch lassen sich die Bilder schnell der Reihe zuordnen: körnige Bilder, schnelle Schnitte, verwackelte Kameraeinstellungen, allesamt untermalt von einer treibenden und nicht selten manipulativen Soundkulisse, die neben der bekannten Melodie immer wieder für Spannung sorgen soll. Diese kommt selbstredend nicht auf, da die Werke eh konstant nach dem gleichen Schema ablaufen und es sich eben um einen zwischengelagerten Teil handelt, der ein Ableben der Hauptfiguren schon kategorisch ausschließt. Und doch, die zwei Stunden verfliegen zügig und das Wiedersehen mit allerlei bekannten Gesichtern weckt Erinnerungen – obgleich natürlich immer Abstriche gemacht werden müssen wenn eine Handlung sich rückläufig orientiert.

Dazu gesellen sich letztlich dann auch die bekannten Probleme, mit denen das Franchise schon immer zu kämpfen hatte. Wenn John Kramer in einer Szene nicht fähig erscheint ohne Unterstützung zu laufen, ist es automatisch unglaubwürdig, wenn er einige Momente später durch simple Telefonanrufe ein ganzes Netzwerk an Betrügern auffliegen und festsetzen lässt. Jigsaw als herrschende Instanz mit globalen Verbindungen, unbegrenzter Liquidität und hellseherischen Fähigkeiten, die es ihm jederzeit erlauben jede noch so überraschende Wendung vorauszusehen und ihr entgegenzuwirken. Das alles kratzt an der Immersion, und wer nicht aufgrund der Gewalt die Augen verschließen muss, muss sich all den aufbrandenden Logiklöchern erwehren, die zwar durch Zwischensequenzen vermindert werden sollen, am Ende aber erneut den Hauptkritikpunkt darstellen. Wer willens ist diese mit Scheuklappen auszublenden, erlebt mit „Saw X“ zur großen Überraschung einen vergleichsweise ansehnlichen Film, der insbesondere Fans zufriedenstellen dürfte.

Fazit

Die Spirale führt aufwärts. Nach dem unterirdischen letzten Belebungsversuch ist „Saw X“ qualitativ und auch optisch wieder näher am Start der Reihe. Die Selbstgeißelung zur moralischen Rekonvaleszenz bleibt zentrales Motiv und so ganz passen die alten Gesichter mit den neuen Falten chronologisch nicht in diesen eingeschobenen Teil, aber alleine die Rückkehr zur Hauptstory löst wohlig warme Nostalgie aus. Die passt zum visuellen Blutbad – auch wenn es knapp 20 Jahre später etwas abgekühlt ist und nicht mehr wirklich vor Kreativität sprudelt. Ab dem 30. November im Kino!

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(58/100)

Bilder: ©Lionsgate